News /// 13.10.2025 Brückenbauer mit dem Manfred-Rommel-Preis 2025 geehrt
Im Zeichen von Respekt und Haltung: Feierliche Verleihung würdigt herausragendes Engagement für das deutsch-türkische Miteinander.
Die Verleihung des 10. Manfred-Rommel-Preises durch das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart am 10. Oktober 2025 im Großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses war ein kraftvolles Bekenntnis zu einer offenen und vielfältigen Stadtgesellschaft. Unter den Klängen des „Istanbul“-Ensembles wurden Persönlichkeiten und eine Initiative ausgezeichnet, die sich beispielhaft für Verständigung und Integration einsetzen: der Suchtberater Faruk Özkan, der Boxweltmeister Fırat Arslan (beide Ehrenpreis) sowie der Stuttgarter Verein Bild und Sprache e.V. (dotierter Hauptpreis).
Die Veranstaltung begann mit einer Gedenkminute für Edzard und Helga Reuter, die im vergangenen Jahr verstorben waren. Edzard Reuter, erster Rommel-Preisträger im Jahr 2009, sei dem Forum „ab der ersten Stunde ein großer Unterstützer und bis zuletzt ein wichtiger Mentor“ gewesen, wie in der Begrüßung durch die Vorstandsvorsitzende Ebru Hazinedar betont wurde. Sein Lebensweg war von der Flucht vor den Nationalsozialisten in die Türkei geprägt, und seine Stiftung fördert bis heute das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen.
Appelle für Zusammenhalt und Akzeptanz
In seinem Grußwort hob Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper die historische Bedeutung des Ortes hervor, an dem Manfred Rommel 22 Jahre erfolgreich gewirkt hatte. Er bezeichnete das Deutsch-Türkische Forum als „vollendeten Spielmacher“ der Integration. Dr. Nopper betonte, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nur gelingen könne, wenn sich die aufnehmende Gesellschaft öffne und Zuwanderer bereit seien, sich zum gemeinsamen Land zu bekennen. Er bekräftigte seinen oft zitierten Standpunkt, wonach „entscheidend ist nicht die Herkunft, sondern die Haltung“.
Der ehemalige Oberbürgermeister und Kuratoriumsvorsitzende Prof. Dr. Wolfgang Schuster unterstrich in seiner Einführung, dass alle, „unabhängig von ihren nationalen, kulturellen, ethnischen Hintergrund Teil unserer Stadtgesellschaft werden und... eine neue Heimat finden können“. Er führte aus, Stuttgart profitiere wirtschaftlich und demografisch stark von der Einwanderung. Gleichzeitig warnte Schuster vor dem „erheblichen Rechtsdruck“ und der Spaltung der Gesellschaft durch populistische Kräfte. Das Deutsch-Türkische Forum verstehe sich daher als wichtiger „Mitgestalter für eine sozial-nachhaltige Entwicklung“.
Ehrenpreise für Kampfgeist und Empathie
Faruk Özkan: Sozialarbeiter als „Türöffner für Integration“
Die Laudatio auf den Suchtberater Faruk Özkan hielt Sibylle Thelen, Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Sie würdigte Özkan, der seit fast 30 Jahren für die Beratungsstelle Release tätig ist, für seine „Lebensleistung“ und sein mutiges Engagement, insbesondere beim Aufbau der muttersprachlichen Drogenberatung für türkischstämmige Klienten im Jahr 1999. Sie betonte, Özkan stelle sich mit Einfühlungsvermögen der Aufgabe, Dinge offen anzusprechen, die in der Community tabuisiert seien. Sein Engagement zeige, dass man „Türen öffnen, Perspektiven vermitteln und Wissen zugänglich machen“ könne. Faruk Özkan bedankte sich sichtlich gerührt und erklärte, dass Rommel für ihn ein wichtiger Akzeptanzfaktor in der Stadt gewesen sei. Er betonte, dass Manfred Rommel 2001 auch der erste Schirmherr für den Gedenktag der Drogentoten in Stuttgart war. Özkan nutzte ein Zitat aus einer KI-Analyse, um die Relevanz seiner Arbeit zusammenzufassen: „Suchtarbeit ist mehr als Therapie. Sie kann ein Türöffner für Integration sein, wenn sie die Lebensrealität von Migranten ernst nimmt und ihnen echte Teilhabe ermöglicht.“.
Fırat Arslan: Vom Hass zur Dankbarkeit
Boxweltmeister Fırat Arslan, bekannt für seine beeindruckende sportliche Karriere – er wurde 2023 im Alter von 53 Jahren zum ältesten Boxweltmeister aller Zeiten –, wurde für sein herausragendes soziales Engagement geehrt. Laudator Coşkun Yasa, Vorsitzender des Turkish Employee Network of Mercedes-Benz, hob Arslans Credo hervor: „Wenn du etwas von Herzen willst, es verinnerlichst und diszipliniert dran bleibst, kannst du alles schaffen“. Arslan engagiere sich als Botschafter für kranke Kinder, gegen Rassismus und nutze seine Bekanntheit, um Gutes zu tun. Arslan selbst erzählte in seiner Dankesrede offen von den Schwierigkeiten seiner Kindheit als Sohn einer Einwandererfamilie, dem Gefühl, „der einzigste [zu sein], der anders war“, und der Wut, die er darüber entwickelte. Der Wendepunkt kam durch den Boxsport. Durch die Unterstützung seines deutschen Teams und Förderern sei die anfängliche Wut auf Deutschland einer tiefen Dankbarkeit gewichen: „Ich habe Dankbarkeit statt Hass. Ich habe Demut und Dankbarkeit empfunden“. Er bekannte sich zum Begriff „Deutschtürke“, den er mittlerweile liebe, und zog einen emotionalen Vergleich: „für mich ist Deutschland und Türkei wie Vater und Mutter“, und ein Kind müsse sich niemals zwischen beiden entscheiden.
Bild und Sprache e.V. - Hauptpreis für Überwindung von Sprachbarrieren
Der mit 3.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an den Stuttgarter Verein „Bild und Sprache e.V.“. Stadträtin Jasmin Meergans hielt die Laudatio und schilderte, wie die Gründerin, Urologin Dr. Christina Heiligensetzer, durch ein Schlüsselerlebnis in ihrer Praxis – bei dem die Tochter eines Patienten versuchte, sensible medizinische Symptome zu übersetzen – den enormen Bedarf an präziser, visueller Kommunikationshilfe erkannte. Meergans führte aus, dass Sprache der „Schlüssel der Welt“ sei und der Verein mit seinen Broschüren und Apps in mittlerweile 30 Sprachen Verständigung in medizinischen und pädagogischen Kontexten ermögliche. Der Verein, der in kürzester Zeit auch wichtige mehrsprachige Materialien während der Coronapandemie erstellte, verfolge das Ziel, Fehlkommunikation zu verhindern, die in sensiblen Situationen die Behandlung verschlechtern kann. Alf Setzer, Dr. Christina Heiligensetzer und Anna Lisa Cardinale dankten in ihrer Rede allen Mitwirkenden, insbesondere den Illustratorinnen, deren „feinfühlige und herzergreifende“ Bilder die Ideen zum Leben erweckt hätten. Sie erwähnten auch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz, aus der das Notfall-Kommunikationstool tip doc emergency entstanden sei. Das Preisgeld werde genutzt, um weitere Sprachversionen und Broschüren, etwa zur Schwerbehinderung, zu realisieren.
Der Abend klang mit einem Empfang aus, bei dem die Gäste die Gelegenheit hatten, die ausgezeichneten Brückenbauer persönlich kennenzulernen.